Wie laut muss Scheiße sein, damit sie wieder nach Leben riecht?
Ich habe es endlich gesehen, Sagt Lila, am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, heute Abend (also, der Uhrzeit nach, gestern).
Geht hin! Seht sie euch an! Die Romanvorlage ist echt, die Menschen auf der Bühne sind echt, ihre Betonwelt, von deren Wänden ihr “Hier bin ICH!”-Schrei pausenlos widerhallt, uns um die Ohren geschleudert wird, bis ein Pfeifen entsteht, ein Surren und Schnattern, ein Brausen und Wimmern, bis schließlich der ganze Lärm versiegt und nichts zurück bleibt, als die zäh schweigende Gewissheit, dass niemand so einsam ist, wie der unerhört Schreiende, versunken in der Masse Gleicher.
Es geschieht überall, in diesem Augenblick. Die Massenhaftigkeit der Menge Menschen, die wir Zivilisation nennen, wächst unaufhörlich zu einem Parasiten heran – und wenn wir unseren Wirt nicht vorher schon getötet haben, fressen wir uns irgendwann gegenseitig auf. Schnapp!
Danach gab es noch ein Gespräch mit Freiwilligen (Fragen zum Stück, usw.). Die Nicht-Freiwilligen waren natürlich auch irgendwie Freiwillige, weil sie ja freiwillig nicht am Gespräch teilnahmen, sondern es vorzogen, in “mindestens-Dreier-Gruppen” und in eisiger Kälte Hamburg zu erkunden, dabei aber “auf keinen Fall in die Jugendherberge” zu gehen.
Ein Viertel blieb, und zunächst war ich enttäuscht, dass die Jugendlichen (ein Adjektiv als Nomen verkleidet ;o) ) nur Fragen stellten, wie “Wodurch habt ihr gemerkt, dass ihr Schauspieler werden wollt? Wie wird man Schauspieler? Kann man hier auch direkt vorsprechen, oder muss man vorher noch auf eine Schauspielschule?”
Ich fragte mich, ob der Inhalt des Stücks sie denn gar nicht berührt hat.
Aber, weil ich ein Optimist bin (ist Optimismus eigentlich die Säkularisierung der Hoffnung?), denke ich mir nun: “Ja, es hat sie berührt, so sehr, dass sie es sofort auf sich bezogen haben, jeder sofort für sich die Entscheidung traf, der Hoffnungslosigkeit, die sie gerade live erlebt hatten, keine Chance zu geben. Wer gehört werden will, kann Schauspieler werden, oder Musiker (oder Autor?) und er kann sich auf eine Bühne stellen und schreien “Hier bin ich!”