(Es ist spät. Mein Bus fuhr mich nicht nach Haus. Es regnete. Stark. Ich bin nass. Aber tief bewegt bewegt sich viel. Bei mir ist das die Hand, die den Griffel hält. Es sind die Finger für die Tasten.)
Alle nehmen ihre Plätze ein, Nummern werden verglichen, noch ein Blick auf die Karte, auf die matt funkelnde Zahl am Sitz, wieder auf die Karte. War das überhaupt die richtige Reihe?
Wir sitzen. Die Blicke gehen hoch in die riesige Muschel; verschlungene Gipsformen, Blattgold, schüchterne Engel mit langen dünnen Hörnern und ihrem ewig treuen Blick auf die Bühne.
Umeinander wuseln Stimmen, lauter kleine Zwiegespräche, die überall kleine Blasen mit “Zuhause” aufpusten. Tuscheltuscheltuscheltuscheltuscheltuschelschonaufgeregt?tuscheltuscheltuschel…..
Das Muschellicht wird gedimmt, die Stimmenwellen schlagen noch einmal hoch, ihre Gischt schwappt auf die Bühne, wo Afrikas Sonne aufgeht, über einem Schicksal, das uns stumm macht, uns reduziert auf große Augen, offene Ohren, ausgetrocknete Seelenschwämme, die begierig allen Schweiß, alles Blut, jede Träne aufsaugen.
Attenquan ist gezwungen, seine Kinder als Sklaven zu verkaufen. Sie werden getrennt, voneinander, und mehr und mehr von ihrem Menschsein, wogegen sie sich wehren müssen, weil sie Menschen sind. (Mehr Inhalt: Selbst erleben!)
Was dazu schreiben?
Unser Leben kann ein hübsches Ding von Gleichförmigkeit sein, ein seichtes Vergessen vor der Notwendigkeit des nächsten Atemzugs. Vielleicht gehört das so.
Aber heute Abend durften wir erleben. Erleben, dass die Angst vor Liebesverlust unsicher machen kann, dass die Unsicherheit trotzig machen kann, dass der Trotz grausam sein kann. Und dann kann es Menschen geben, die ihre Stärke für den Weg aus der Grausamkeit nicht mehr sehen, die die Macht der Liebe, deren Gesicht ihnen fremd wurde, durch die Macht der Gier ersetzen, deren Mittel unmenschlich sind.
Von der Bühne schlägt es uns entgegen:
Aus den Teufelstiefen plärren uns Fratzen ihr schiefes Lied einer lächerlichen Quälwelt. Die langen Arme ihrer absurden Macht ohrfeigen uns aus dem Schlaf der vermeintlich Machtlosen. Mit immer kleineren Schritten schicken sie uns nicht endenwollende Häuserwände entlang, beschrieben mit den Namen ihrer (unserer?) Opfer.
Manch ein Schwamm war zu durstig, kann nicht mehr und läuft über; Gehäule stürzt hinab in den gestärkten Hemdkragen (kleiner Sklavenhände Werk?)
Merkt es keiner?
Dann möchte ich ein kleiner Engel sein, der wild mit seinen viel zu kleinen Flügeln schlägt, bis er das Dach des Schauspielhauses erreicht. Dort lege ich den Kopf in den Nacken, setze mein Horn an den Mund, richte es in die Wolken und stimme die Fanfare an, die alle Menschen ruft:
Öffnet Eure Augen und Ohren und schließlich eure Münder weit. Damit Ihr wieder hinausgehen könnt, Euch unter das Volk mischen und laut und deutlich verkünden, was ihr gelernt habt:
Vielleicht müssten wir nicht einmal kämpfen. Vielleicht bleiben wir einfach mal stehen, sehen hin, strecken unsere Hände vor, so lange, bis jemand seine hineinlegt. Zu diesen Händen wird ein Lächeln gehören. Und ein jedes Lächeln wird einem jeden von uns sagen: Es wird gut sein, weil es niemals schlechter sein kann, als Du bist. Es wird Liebe sein, und sie beginnt bei den Menschen auf und hinter der Bühne, die uns die Kraft geben, sie zu leben, für jeden von uns. Die größte Kraft tut das Gute, besonders dann, wenn es das Andere ist.