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Gerade spazierte ich ein wenig durch die Straßen Barmbeks, die, die kleiner sind, dunkler, wo es oft nur an Biegungen und Kreuzungen eine Laterne gibt.
Die meisten Fenster schwarze Löcher in den roten Backsteinfassaden, aber eben nicht alle; hier und da durchzuckt das Flackern eines Fernsehers die Dunkelheit und hinter einigen von ihnen brennt noch Licht, man sieht ein Poster, eine Schrankwand oder ein Bücherregal. Jemand steht auf, um sich noch ein Bier aus der Küche zu holen oder schon einmal die Zähne zu putzen.
Ich überlegte, wie es wohl wäre, fliegen zu können, durch die Nacht. Ich könnte durch die Straßen Hamburgs fliegen, direkt an diesen Fenstern vorbei. Ich könnte in ihre Leben schauen, einfach nur in eine Minute davon, den Augenblick, in dem sie ihn anlächelt, ohne dass er, die Augen auf der Glotze, es bemerkt, oder wie er, nachdem er sich, den Hals gereckt, versichert hat, dass sie im Bad ist, seinen Finger in die Nase steckt und in Ruhe popelt. Ich könnte auf die Idee kommen, mich aufzuschwingen, über die Dächer, über Hamburg hinwegschweben, irgendwo aufs Land, schauen, ob dort noch jemand wach ist. Judith beschreibt ihr Fliegen in “Du erkennst mich nicht wieder”. Dort steht es für Sehnsucht, die unerfüllt bleiben muss und im Fliegen ihr einziges Ventil für ihre Kraft findet.
Im Blick aus dem Fenster, vor dem ich gerade sitze, in die dunklen Fenster auf der anderen Straßenseite, denke ich, es könnte der eigentliche Sinn von “weltgesehen” sein, sie ist vielleicht auch die Quelle aus der ich dieses Wort habe, “weltgesehen”, die Sehnsucht, deren artgerechte Haltung nur das Fliegen ist, das anschublose Dahingleiten, das mir alles zugänglich machende, zügellose Erfassen, von… Allem, das dreiste Ausleben der Habgierigkeit meines Geistes, das einsamste Glück.

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