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Heute Abend legte ich mir ein ganz altes Stück Vinyl auf. Ich sach jetzt mal nich was, is zu peinlich. Es kommt ja auch nicht auf die Qualität der Musik an, sondern auf das, was ich mit ihr Verbinde. Ihr ahnt es schon: Vergangenheit und Liebe; wie sollte es anders sein.
Ich war dreizehn Jahre alt und unsterblich verliebt, ja, ähem, und ich sah aus wie eine Pizza, wie jemand, der sich in totaler geistiger Umnachtung dazu bereit erklärt hatte, nicht nur die eigene Akne, sondern auch die von mindestens drei weiteren Teenagern “auszutragen”. Ihr ahnt es wieder: Meine Chancen bei der Angebeteten lagen also unterhalb jeder auslotbaren Tiefe. So wurde ich ihr bester Kumpel, um wenigstens in ihrer Nähe zu sein. Und ich gab mich nicht geschlagen und arbeitete an zwei Fronten. 1. Mit allem was ich tat, versuchte ich ihr zu beweisen, dass die Reinheit, die meine Gesichtsoberfläche so schmerzlich vermissen ließ, umso lupenreiner in meinem Charakter zu finden war. 2. Die Reinheit meiner Haut sollte sich der anderen so bald als möglich angleichen. Ich rannte also von Hautarzt zu Hautarzt, bis ich schließlich den richtigen fand, in einer anderen Stadt. Er verschrieb mir eine Kur, die mich jeden Abend eine knappe Stunde Behandlung kostete. Und eben während dieser knappen Stunde hörte ich immer diese LP und dachte an sie (nicht an die LP, sondern an das Mädchen).
Es ist also ganz eindeutig diese Platte, die mich ganz eindeutig nur an diese eine Sache erinnert, daran, so verliebt zu sein, dass mir keine Anstrengung, keine Hürde zu hoch erscheint.

Und heute dachte ich: Wo ist das hin? Warum war das so? Wie ist das heute?
Jetzt muss ich aufpassen, nicht zu persönlich/offensichtlich zu werden: Nehmen wir also mal an, ich sei verliebt… Warum sitze ich dann hier und warte auf ihren Anruf? Warum finde und gehe ich nicht einfach die Wege, die nötig sind, ihr zu zeigen, dass ich der Richtige sein könnte. Denn tatsächlich geht es ja nicht um mehr. Schließlich weiß ich ja auch nicht vorher, ob sie die Richtige ist, nur, dass sie mir nicht aus dem Kopf geht…
Anders ist dies, was mir Dank der ollen Platte bewusst wurde: Das Gefühl war neu für mich, damals, und konnte nur die große Liebe sein, weil es so unglaublich stark war, so groß, mit nichts vergleichbar, was ich bis dahin kannte. Und es hatte Stolz, dieses Gefühl wollte und durfte sich nicht unterkriegen lassen. Es war rein und hell, frei von den Schatten, die ich heute nur zu gut kenne, zum Beispiel die Enttäuschung darüber, dass ein so großes inniges Gefühl vielleicht nicht so groß und innig oder vielleicht gar nicht erwidert wird, oder die Ernüchterung darüber, dass so ein Gefühl womöglich nicht so groß und innig bleibt. Dem Gefühl von heute fehlt die Kraft der Naivität. Der Stolz ist auf die Person übergegangen, die Angst hat, sich lächerlich zu machen, die sich jederzeit einreden können möchte, so schlimm sei es nicht, zu verlieren hätte es nichts gegeben. So wird das Begehren, das damals wild und kraftvoll wuchern durfte, beschnitten, gestutzt und zusammengebunden, wie ein Bonsai, der sich jederzeit in einen Schrank sperren lässt. Damals wollte ich der Held dieses Mädchens sein, und stürmte blind weiter, bis die Pickel weg waren und sie sich in mich verliebte. Was ich erreichte, war mein ganz persönlicher Himmel auf Erden.
Gebe es doch eine Musik, die mir das wieder deutlich macht, dass es möglich ist, dass es wieder erreichbar ist, dass die Größe des Glücks abhängig ist, von der Größe des Leides, dass man bereit ist dafür zu riskieren, und dass mein Stolz das Geringste ist, vor dem, was mir gut tut. Und was mir gut tut, ist so einfach, ein Mensch, der sich mir mitteilen möchte. Sie.

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