Columbus Circle und eine tolle Nacht
Ja, nun hätte ich vom schönen Wetter erzählt, vom Columbus Circle, wo ich wirklich zum ersten Mal war, wie auch von der West Side, mit seinen Nannys überall und den Starbucks alle 2-3 Blocks. Und dann wollte ich von meinem Besuch eines Open-Air-Kino Spektakels erzählen, TOP GUN auf dem Flugzeugträger am Hudson River, Teil des Intrepid Sea, Air & Space Museums. Aber nach ca. 2 Stunden in einer unfassbar langen Schlange kamen wir leider nicht mehr rein. Wir? Ja, genau – die lange Zeit in dieser Schlange hat mich näher gebracht, diesen wunderbaren und sehr lustigen New Yorkern; es folgten Gespräche über Merkel, Putin und Obama, aber auch darüber, was wir so machen, und ich musste erklären, was ein deutscher Fotograf vier Wochen lang in New York so vor hat.
Der Abend wurde feucht und fröhlich und er wurde zur Nacht, mit Bowling (Lucky Strike) und Bar (Babylon), mit Tanzen und Wasserpfeife.
Einer meiner neuen Freunde fragte mich gleich zu Anfang, warum ich den alleine Reise. Spontan sagte ich, dass ich nur dann offen dafür bin, Menschen vor Ort kennen zu lernen. Und das ist es, wonach ich suche. Klar kann ich mich in einen Touristenbus setzen, mich mit der Geschichte befassen und die Sehenswürdigkeiten abklappern. Aber was habe ich denn wirklich erfahren und erlebt, wenn es nichts mit den Menschen zu tun hat, die hier Leben, jetzt? Viele, die ich nach ihrem Urlaub befrage, geben an, sie seien prima aus ihrem Alltag geflohen – aber wie viel intensiver kann das sein, wenn man es schafft, ein anderes Leben zu leben, in einer anderen Stadt, mit einem anderen Alltag und ganz neuen Menschen? Warum muss es eine Flucht sein, warum nicht einfach ein großer Schritt zur Seite, eine neue Welt leben, mit allem, was dazu gehört? Einkaufen, kochen, mit Freunden eine schöne Zeit haben …
Der erste Tag in New York
Die erste Aufgabe des Tages war eigentlich ganz einfach: Finde eine Bank of America und besorge Bares. Ich wusste ja, dass am Times Square eine war, also hin da:
Eat this …:
Posted by Weltgesehen on Donnerstag, 21. Mai 2015
Und natürlich gibt es da die Stelle noch, nur eben nicht mit der Bank of America, sondern mit dem Bauzaun of America. Nun ja, dachte ich mir, hier wird es ja wohl irgendwo eine zweite Filiale geben, Starbucks gibt es ja auch an jeder Ecke. Also ging der Marsch los, fleißigen Schrittes vermaß ich den Times Square und schließlich die Straßen drum herum – gefühlt hat das zwei Stunden gedauert. Und schließlich hatte ich Erfolg – gefühlt hat die Suche zwei Stunden gedauert, und kaum hatte ich mein Geld, kam ich natürlich ständig an der Bank of America vorbei, und ich bin nicht im Kreis gelaufen …
Der Spaß ging sogar weiter, auf der Suche nach B+H, dem Fotografenmekka in New York – auch diesen Laden habe ich prima eingekreist und schließlich gefunden. Ein älterer Herr hat mich prima beraten – und meine Frage direkt auf Deutsch beantwortet – schiete, ich dachte, niemand würde mich erkennen …
Und für alle, die schon immer einmal wissen wollten, was sich hinter so einer schicken Glasfassade befindet:
Ankunft in New York
Dank der sechs Stunden Zeitverschiebung ist es hier noch immer der 20.5. und nicht einmal 21 Uhr.
Von Berlin aus ging es heute morgen um 9:10 Uhr los, über Amsterdam nach New York. Hier gelandet, 14 Uhr Ortszeit, ging die Reise mit der U-Bahn weiter. Und sitze ich wieder in der Wohnung meiner lieben Freundin Michela in Queens. Nach einer Pizza von Michelas italienischer Lieblingsbäckerei und einem Budweiser kriecht mir die Müdigkeit durch den Körper, nimmt von ihm Besitz….
Mein Zimmer ist seit 2012 neu gestrichen worden, riecht aber noch ganz genauso, wie damals. Es fühlte sich an, wie nach Hause kommen und ganz und gar nicht nach “vor drei Jahren”. Ja, viele Dinge haben sich sicherlich verändert an diesem anderen Zu Hause – aber viele eben auch nicht.
Fotos einer Reise an der Wand
Da gehören sie doch eigentlich hin, an die Wand, wo man sie sehen kann. Sicherlich nicht alle. 2012 in New York entstanden fast 2000 Fotos. Nach meiner Auswahl der “keepers” waren es noch ca. 1400. Dann kam die Vorauswahl für die Ausstellung: 119. Achtzehn davon hängen nun in meinem Studio, sechzehn in Schwarzweiß, davon zehn eingerahmt mit Passepartout. Zwei Wochen der Bearbeitung, des Druckens und Rahmens liegen hinter mir und schließlich die Vernissage gestern. Endlich konnte ich teilen und die begeisterten Gesichter sehen. Konnte ich vorher nicht ahnen, was mir das bedeuten würde?
Ja, die Fotos gehörten an die Wand – das wusste ich schon seit langem, aber es zu wissen und es in die Tat umzusetzen, sind zwei eigenartig unterschiedliche Dinge. Schon in der Vorbereitung wachten Erinnerungen auf, und weil ich genaue Adressen der Fotoorte auf den Titelkarten notieren wollte, recherchierte ich über Google Streetview. Bei einem der Bilder erschrak ich: Der Kiosk, den ich in der Wall Street fotografiert hatte, wurde durch eine Langweiligkeit aus Stahl und Glas ersetzt. Die Dinge ändern sich, auch da, wo wir nicht sind, und wenn ich in zehn Tagen wieder in New York bin, werde ich das erkennen.
Bis dahin, hier einige Eindrücke von der Vernissage. Großartiges Catering von Alexander Schattenberg. Wunderbare Musik von Twosome Entwined
Abenteuer überall
Ja, es sind immer noch die New York Filme, und dieser hier spricht zu dem Abenteurer in mir. “Das erstaunliche Leben des Walter Mitty”. Auch ich war schon immer ein Träumer, alzu oft scheuend vor der Schwelle zur Realität, im kühlen Schatten meiner Komfortzone. Ja, manchmal bin ich es immer noch. So macht es mir Freude, Walter Mittys Wandel zu erleben, der von seinen Träumen selbst in ihre Realität geschubst wird und von seiner Liebe, die ihn ermutigt mit Major Tom. Und ich finde neue Orte, die gefunden werden wollen, von mir, von meiner mutigen Ausgabe …
Stehen, wo sie nicht sprang
Inzwischen hat Sarah Jessica Parker wohl unzählige Fans, aber wie viele von ihnen kennen überhaupt den Film, den ich gerade schaue? “If Lucy fell”
Ratet, wo er spielt? Yep, New York. Was für eine prima Idee, ein Picknik auf der Brooklyn Bridge. Das sollte ich auch tun, mit dieser Aussicht …
An diesem Film liebe ich diese Art von Unschuld, die ich gar nicht richtig verstehe, und am meisten liebe ich die Vorstellung davon, sich in die Frau zu verlieben, die ich schon so lange liebe …
Die Welt im Kasten
Nun ja, die Welt soll es werden …
In dieser Box von IKEA befinden sich die Erinnerungsstücke aus Hong Kong und New York, Stadtpläne uns Eintrittskarten, Tageszeitungen und Zeitschriften, Verpackungen und Quittungen.
So ist dieser Kasten schon jetzt eine Art Schatzkiste der Erinnerungen, und ich muss zugeben, ich öffne sie nicht sehr oft, weil mir dann das Fernweh direkt auf die Schulter klopft.
Nun, wo die Reise nach New York vor der Tür steht, fällt es mir sehr leicht, in dieser Schatzkiste zu kramen – dachte ich. Mir fiel nämlich die Eintrittskarte zu “Death of a Salesman” in die Hände. In der Hauptrolle durfte ich Philip Seymour Hoffmann erleben. Ja, er war wirklich wundervoll! Ihn live auf der Bühne zu erleben war das tollste, was ich jeh in einem Theater sehen durfte, unvergesslich.
New York Karte ausgepackt
Fast drei Jahre stand sie nun eingepackt auf dem Regal, wunderschön, was ich auch schon fand, als ich sie 2012 auf dem Flohmarkt am East River in Williamsburg kaufte. Aber nun war die Neugier doch größer: Wie sieht wohl die Rückseite aus? Und der Moment fühlte sich so wichtig an, dass ich mich unbedingt filmen musste … beim auspacken.
Aber nun kam die nächste Frage: Wann wurde diese Karte gedruckt? Auch mit der Lupe war keine Jahreszahl zu finden. Es musste also recherchiert werden… und tatsächlich fand ich eine Seite über die Firma Hagstrom, die diese Karte gedruckt hat, und über ihre Art der Codierung, die intern für Übersicht sorgen sollte. Und der entsprechende Code war schnell gefunden – die Karte wurde im März 1956 gedruckt.
Harry und Sally und eine Aussicht
Letzte Woche sah ich zum xten Mal diesen wunderbaren Film, der für mich schon seit langer Zeit ein Blick auf New York war, meinen persönlichen Mythos von dieser Stadt prägte, lange bevor ich überhaupt daran denken konnte, sie zu besuchen. Und dann kam diese Szene, gleich zu Beginn des Films, die Fahrt von Chicago nach New York endet hier, am Washington Square Arch … was für ein Bildausschnitt, mit Bedacht gewählt, der Bogen als Rahmen für das World Trade Center. An dieser Stelle könnte ich stehen und ein neues Foto machen – der selbe Rahmen für ein neues Gebäude…
Orte dieser Welt in meinem Herzen
Die Temperatur steigt – das Reisefieber im Blick. Durch das Bedauern, dass ich jedes Mal empfand, wenn ich einen Ort nach viel zu kurzer Zeit verlassen musste, habe ich gelernt, die Zeit vor einer Reise zu genießen, ohne Ungeduld. Zu diesem Genuss gehörte es heute, mich an meine Lieblingsorte zu erinnern, die Orte, an denen ich innehielt, die innere aufgeregte “Fahrt” bremste und mich meiner bewusst wurde. In Kenya zum Beispiel saß ich mindestens ein Mal pro Tag hinter dem Haus in dem ich wohnte auf einer Bank am See, in Hong Kong kaufte ich mir nachts noch ein Bier im seveneleven und ging an das Hafenbecken, schaute hinüber nach Kowloon, in New York saß ich auf einer Bank am Hudson oder am East River – an jedem dieser Orte schloss ich zwischendurch meine Augen und atmete tief durch die Nase ein, so tief und so lange ich konnte, in der Hoffnung, diesen Geruch für immer festhalten zu können. Dann öffnete ich die Augen wieder, schaute mir Einzelheiten, Kleinigkeiten an, in der Hoffnung, sie für immer festhalten zu können.
Heute dachte ich an diese und weitere Orte; ich erinnerte mich an den Anblick und den Geruch so gut ich konnte und schließlich fiel mir auf, dass diese Orte und diese Momente einsam waren. Ich war allein in meinem Innehalten, weil oft die Zeiten einsam waren, spät in der Nacht oder früh am Morgen, wie zum Beispiel auf dem Rocher de Naye in fast 3000 Meter Höhe. Ich wunderte mich, bin ich doch ein Mensch, der die Gesellschaft liebt, sich gerne unterhält und Spaß mit anderen Menschen gemeinsam hat. Aber nach einigen Minuten kam ich darauf, dass es eben die Menschen sind, die den einsamen Momenten ihre Bedeutung verleihen. Und so ist es doch eigentlich mit allem. Alles, was der Mensch erschafft, was er baut und aufstellt, was er schreibt, fotografiert und besingt – am Ende hat es immer mit anderen Menschen zu tun, mit unserer Gemeinschaft. Ohne sie wäre alles sinnlos.